Dr. med. Sylvia Kipp Achtsamkeit

Achtsamkeit

Was ist Achtsamkeit?

Wir definieren ‚Achtsamkeit‘ als ein umfassendes Gewahrsein, das nichts ausschließt und unbefangen alles aufnimmt, es annimmt, verwandelt und neutralisiert, so dass sich damit eine nicht-wertende Haltung entwickelt. Achtsamkeit ist die beabsichtigte Lenkung der Aufmerksamkeit auf die Gegenwart, d.h. auf den aktuellen Moment, auf die gegenwärtige Erfahrung. Achtsamkeit bedeutet das bewusste Beobachten, wobei die Beobachtung aus einer wohlwollenden, akzeptierenden, nicht urteilenden oder wertenden und unvoreingenommen offenen Haltung heraus erfolgt. 

 

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  Wo liegen die Ursprünge von Achtsamkeit?

Fisch

Achtsamkeit hat ihre Ursprünge in fernöstlichen Meditationswegen. Vor allem im Zen-Buddhismus und in der Vipassana-Meditationspraxis spielt die Achtsamkeit eine zentrale Rolle. Zur Verbreitung von Achtsamkeit im Westen hat vor allem der vietnamesische Mönch Thich Nhat Hanh, der Gründer des “engagierten Buddhismus”, beigetragen. Heute beziehen viele Achtsamkeits-programme auch die Yoga-Praxis mit ein. 

Bin ich achtsam mit mir und meiner Umwelt? oder: Ist Achtsamkeit messbar?

Zur Beantwortung dieser Frage wurden im Laufe der Zeit unterschiedliche Selbstbeurteilungsbögen entwickelt. Der von Bergomi et al. (2014) entwickelte CHIME (“Comprehensive Inventory of Mindfulness Experience”) bildet den aktuellen Wissensstand in Bezug auf das Konstrukt ‚Achtsamkeit‘ am besten ab. Er erfasst acht Dimensionen der Achtsamkeit, die die verschiedenen Teilaspekte der Achtsamkeit gut abbilden und operationalisieren.

Klangschale

Es handelt sich um folgende Aspekte:

1 Gewahrsein nach Außen

Gewahrsein gegenüber äußeren Erfahrungen (z.B. ich nehme Farben und Formen in der Natur deutlich wahr)

2 Gewahrsein nach Innen

Gewahrsein gegenüber inneren Erfahrungen (z.B. wenn sich meine Stimmung ändert,  nehme ich das wahr)

3 Offenheit

 

Offene, nicht vermeidende Haltung (z.B. ich versuche mich nicht abzulenken, wenn ich unangenehme Gefühle erlebe)

4 Annehmen

 

Gewahrsein, annehmende, nicht urteilende, mitfühlende Haltung (z.B. auch wenn ich einen großen Fehler gemacht habe, gehe ich mit mir auf eine verständnisvolle Art um)

5 Dezentrierung

 

Beobachterposition einnehmen, nicht-reaktive, dezentrierte Orientierung (z.B. ich kann meine Gedanken und Gefühle beobachten, ohne mich darin zu verstricken)

6 Relativität

 

Relativierung (z.B. im Alltag ist mir bewusst, dass viele Gedanken Interpretationen sind, die nicht unbedingt der Realität entsprechen)

7 Einsicht und Verstehen 

Einsicht und Verstehen (z.B. ich bemerke im Alltag, wenn eine bestimmte Situation erst durch meine negative Einstellung ihr gegenüber schwierig wird)

Bewusst Handeln

Gegenwärtig führt zu bewusstem Denken, Fühlen und Handeln (z.B. im Alltag
werde ich durch viele Erinnerungen, Bilder und Träumereien abgelenkt)

Sollten Sie sich mehr für dieses Thema interessieren, können Sie hier meinen Artikel „Achtsamkeit als Prozess. Oder: Ist Achtsamkeit messbar?“ lesen.

 

Ist Achtsamkeit messbar?

In diesem Beitrag wird dargestellt, wie sich das Konzept der Achtsamkeit im Rahmen einer ambulanten psychotherapeutischen Praxis umsetzen lasst. Entsprechend der grundlegenden Definition von Achtsamkeit als Bewusstheit gegenber eigenen mentalen Prozessen wird dabei von einer Synergie zwischen regelmäßigen Achtsamkeitsübungen und regelmäßigen (z.B. täglichen) Selbsteinschätzungen von Kognitionen und Befindlichkeiten im Alltag ausgegangen. Das hierbei eingesetzte Monitoringsystem (Synergetisches Navigationssystem, SNS) ist internetbasiert und ermöglicht es dem Patienten, standardisierte oder individualisierte Fragebogen auf Smartphones, Tablets oder Laptops auszufüllen und auch regelmäßige Selbsteinschätzungen in Textform zu schreiben. Damit entstehen Zeitreihen, die den Veränderungsprozess detailliert repräsentieren und dann in den Therapiesitzungen von TherapeutIn und PatientIn gemeinsam reflektiert werden. Die Theorie komplexer dynamischer Systeme liefert die Methoden und Interpretationsschablonen, um die Veränderungsprozesse des Patienten zu verstehen.

Den ganzen Artikel können Sie hier nachlesen: zum Artikel

 

  Anwendungsbereiche von Achtsamkeit

Licht

Achtsamkeit wird heute in nahezu allen Lebensbereichen eingesetzt. Sie eignet sich zur Förderung von Gesundheit und Entwicklung auf individuelle Ebene, in Beziehungen, in der Erziehung und im Umgang mit Kindern und in vielen weiteren Bereichen des alltäglichen Lebens. Achtsamkeitspraxis hat aber auch Eingang gefunden in die Berufswelt und in die Wirtschaft. Sie verbessert das Arbeitsklima und das Leistungsniveau, baut Stress ab und fördert eine positive Einstellung zur Arbeit. Aber auch in der Medizin und der Psychotherapie wird heute erfolgreich mit Achtsamkeit gearbeitet. Es gibt inzwischen Störungen und Zielgruppen, bei denen die Wirkung achtsamkeitsbasierter Programme nachgewiesen werden konnte. Beispiele sind Schlafstörungen, ADHS, Schmerz, Depressionen, Angststörungen, Zwangserkrankungen, Borderline und Burnout, Essstörungen und viele weitere. Dabei wurden eine Vielzahl von störungs- und zielgruppenorientierten Programmen entwickelt.

Sollten Sie sich mehr für dieses Thema interessieren, können Sie hier meinen Artikel „Das Konzept der Achtsamkeit in der stationären Psychotherapie“ lesen.

 

Das Konzept der Achtsamkeit in der stationären Psychotherapie

Dieser Beitrag stellt die Umsetzung des Konzepts der Achtsamkeit auf einer Station für Persönlichkeitsstörungen in einer psychotherapeutischen Klinik vor (Bereich stationäre Psychotherapie der Universitätsklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Salzburg). Das Stationskonzept orientiert sich am Konzept der Achtsamkeit, das sich in verschiedenen Gruppenangeboten wiederfindet und auch im Stationsalltag präsent ist. Das Programm des Skills-Training wurde aus der Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT) bernommen, das als zentrales Element die Förderung von Achtsamkeit enthlt und in den Stationsalltag integriert. Weitere wichtige Bestandteile des Stationskonzepts sind tiefenpsychologisch fundierte und körpertherapeutische Ansätze, zudem Psychodrama und künstlerische Therapien. Das Kliniksetting wird als therapeutische Gemeinschaft verstanden und bietet den Patienten soziale Interaktionsfelder an, in denen sich Beziehungskonflikte wie auf einer Bühne inszenieren lassen. Auf diesen Interaktionsfeldern können neue Kompetenzen erlernt werden. Verhaltensexperimente sind ausdrücklich erwünscht. Die in den achtsamkeitsbasierten Gruppenerfahrungen gewonnenen Einsichten sollen in die Praxis umgesetzt werden. Da alle Mitarbeiter eine Skills-Trainer-Ausbildung absolviert haben, können achtsamkeitsbasierte Übungen auch außerhalb der festen Gruppenangebote aufgegriffen und in den Stationsalltag integriert werden.

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